Zukunftskopf Lisa Rosa Bräutigam, Gründerin und Geschäftsführerin von nuwo

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Lisa Rosa Bräutigam, Gründerin und Geschäftsführerin von nuwo | ©Elmar Witt

Dass COVID-19 die Arbeitswelt nachhaltig beeinflusst hat, ist unbestritten: Die Digitalisierung erfuhr einen enormen Schub, und die Zahl der hybrid arbeitenden Beschäftigten hat sich zu Pandemiezeiten fast verdoppelt. „Diverse Studien zeigen, dass es kein Zurück geben wird, denn kaum ein:e Arbeitnehmer:in ist bereit, Vollzeit ins Büro zurückzukehren“, weiß die Wahl-Berlinerin Lisa Rosa Bräutigam und ist überzeugt: Die Zukunft der Arbeit ist hybrid und findet Teils im agilen Büro, teils im Homeoffice sowie an dezentralen Orten statt, an denen Menschen zum kooperativen Arbeiten zusammenkommen können. Was in Zeiten des Fachkräftemangels ein enormer Wettbewerbsvorteil ist, können doch Mitarbeitende aus ganz Deutschland und darüber hinaus gewonnen werden, birgt gleichzeitig neue Herausforderungen: Nicht alle Arbeitnehmenden haben Studien zufolge den entsprechenden Wohnraum für ein eigenes Büro, geschweige denn die finanziellen Mittel für beziehungsweise den Zugang zu ergonomischen Möbeln. Für Unternehmen wiederum bietet es aus finanzieller wie steuerlicher Sicht zahlreiche Hürden, Mitarbeitende zuhause professionell einzurichten. Dabei würden sich 30 bis 50 Prozent genau das von ihren Arbeitgebern wünschen. Letzterer könnte davon profitieren: Erste Untersuchungen zeigen, dass eine ergonomische Home-Office-Ausstattung positive Auswirkungen auf die Produktivität hat.

Dafür muss es doch eine Lösung geben? Das dachte sich auch Lisa Rosa Bräutigam im Jahr 2020, kündigte ihre verbeamtete Stelle als Lehrerin und stellvertretende Schuldirektorin und gründete das Startup nuwo(steht für „New Work" und erinnert an das französische „nouveau", also „neu” wie die hybride Arbeitswelt). Anfangs musste die Branchen-Newcomerin gleich mehrfach Rückschläge hinnehmen und ihr Konzept ändern. Fehlermachen gehöre gerade in einem schnell wachsenden Umfeld zum Entwicklungsprozess, ist sich die Unternehmerin im Nachhinein sicher und schmunzelt: „Kaum verwunderlich, dass die erste Version der nuwo Plattform heute nicht mehr genutzt wird.“

Aufhalten ließ sie sich davon aber nicht: „Ich würde sagen, dies macht eine der großen Stärken nuwos aus - wir hören zu, geben uns nicht mit „das wurde schon immer so gemacht” zufrieden und haben keine Angst, Prozesse radikal neu zu denken“, erkannte sie. Diese Flexibilität und Ausdauer machten sich auch bald bezahlt: Schon 2021 konnte nuwo den ersten Enterprise-Kunden für sich gewinnen. Mittlerweile haben sie und ihr 15-köpfiges Team, das - wie könnte es anders sein - hybrid arbeitet, einen starken Kundenstamm im Mittelstand und Konzernumfeld. Und Bräutigam hat Lust auf mehr, wie sie im Interview verrät:

Frau Bräutigam, dürfen wir zu Beginn durchs Schlüsselloch schauen: Wie sah denn 2020 Ihr eigenes Homeoffice aus?

Ich hatte ein Büro zu Hause, das ich nach bestem Wissen und Gewissen ausgestattet hatte. Wirklich ergonomisch war das damals trotzdem nicht. Was Ergonomie eigentlich bedeutet, und welchen Stellenwert eine gute Ausstattung für unsere körperliche und mentale Gesundheit einnimmt, lernte ich erst durch nuwo. Die größte Gefahr für unser Wohlbefinden ist das statische Sitzen. Nicht umsonst belegen Studien: Sitzen ist das neue Rauchen. Das Mindeste ist also ein individuell auf deinen Körper einstellbarer, also ergonomischer Stuhl und häufige Haltungswechsel.

Wie kamen Sie als Lehrerin während der Corona-Krise auf die Idee, nuwo zu gründen?

Im ersten Lockdown merkte ich schnell, dass viele aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis Schwierigkeiten hatten, sich in ihren vier Wänden einen professionellen und vor allem gesundheitsförderlichen Arbeitsplatz einzurichten. Die Folgen traten innerhalb kürzester Zeit in Form von Rücken-, Kopf- und Nackenschmerzen zu Tage und reichten bis hin zu Bandscheibenvorfällen. Viele Mitarbeitende arbeiten bis heute von der Couch oder dem Küchenstuhl. Andere entschieden sich zwischenzeitlich für Produkte aus dem klassischen Möbelhaus. Diese haben jedoch aus gutem Grund keine Arbeitsstättenzertifizierung und sind für einen Acht-Stunden Arbeitstag nicht geeignet. Das Dilemma: Wirklich gesunderhaltende Produkte kosten so viel, dass sich normale Angestellte diese Möbel für den Privathaushalt niemals leisten würden. Schnell wurde mir klar, man müsse die Unternehmen dabei unterstützen, ihre Mitarbeitenden mit gesunden und schönen Arbeitssettings auszustatten. Denn bei den Firmen liegt letztlich die Fürsorgepflicht und ein echtes Interesse, Produktivität und Gesundheit aufrechtzuerhalten. So bin ich damals mit der Ausstattung von Heimarbeitsplätzen über eine einfach zu managende digitale Plattform gestartet. Heute statten wir vor allem Büroflächen aus und begleiten Firmen bei der hybriden Transformation ihrer Arbeitsplätze.

Mit „Homeoffice-as-a-Service” haben Sie eine Nische für sich gefunden. Wofür steht der Begriff?

Ich habe nuwo mit einer klaren Mission vor Augen gegründet: Unternehmen dabei zu unterstützen, die Herausforderungen der modernen, hybriden Arbeitswelt zu meistern und inspirierende Arbeitsumgebungen zu schaffen, in denen Mitarbeiter:innen sich wohl fühlen und ihr volles Potenzial entfalten können. Wir sprechen deshalb nicht mehr allein von Homeoffice as-a-Service, sondern von Büromöbel as-a-Service: Wir unterstützen unsere Kunden dort, wo es richtig wehtut. Wer die Herausforderungen heutiger Unternehmen kennt, weiß um die Notwendigkeit, interne Ressourcen zu entlasten. Dieses Problem gehen wir mit unserem Plattform-Ansatz aktiv an und übernehmen alle zeitintensiven Prozesse, die im Vorfeld und Nachgang der Ausstattung von Heimarbeitsplätzen und Büroflächen mit einhergehen, durch unsere inhouse entwickelte Software. Der Fokus auf technologischen Vorsprung gepaart mit einem exklusiven Zugang zu starken Marken und Herstellern macht unser Modell am Markt einzigartig.

Wie funktioniert das genau?

Bei nuwo kaufen Unternehmen über ihren firmeneigenen kuratierten Shop all ihre Wunschprodukte schnell und ohne Aufwand ein. Unsere innovative Plattform ermöglicht es nicht nur, Möbel-Assets effizient zu verwalten und auch im Garantiefall schnell zu reagieren, sondern unterstützt auch nahtlos den Transfer von Ausstattungen, wie beispielsweise Tischen oder Stühlen, zwischen verschiedenen Standorten. Wir garantieren nicht nur die besten Preise und ein ergonomisch zertifiziertes Arbeitsumfeld, sondern auch minimierten Bearbeitungsaufwand und kürzere Lieferzeiten durch den Einsatz modernster Technologien. Dies schützt wertvolle Ressourcen und spart vor allem eins: Zeit. Durch die Zusammenarbeit mit allen großen Herstellern sind wir in der Lage, Flächenkonzepte zu entwickeln, die präzise auf die Wünsche und Bedürfnisse innovativer Unternehmen zugeschnitten sind.

Wir sind davon überzeugt, dass die neue Arbeitswelt One-Fits-All-Lösungen weder braucht, noch zulässt. Jede gewachsene Firma hat ihre eigene Kultur, Anforderungen, Arbeitsweisen und Konzepte. Aus diesem Grund sind wir kein Amazon für Büromöbel, mit einem unstrukturierten Produktangebot, das selbst geschulte Personen überfordert und niemals passgenau sein kann. Wir haben alle renommierten Hersteller an unsere Plattform angebunden und kennen deren Produkte. Ganz bewusst haben wir uns für exklusiv kuratierte, firmeneigene Shops, die perfekt auf das jeweilige Unternehmen und seine Mitarbeitenden zugeschnitten sind, entschieden. Auf diese Weise stellen wir sicher, dass auch dem Laien die Auswahl der passenden Produkte gelingt.

Zusätzlich bieten Sie die Verwaltung der Möbel an. Wie kam es dazu?

Besonders wichtig ist uns von Anfang an ein enger Austausch mit unseren Kund:innen. Man könnte sagen, viele unserer technologischen Weiterentwicklungen und neuen Features sind sozusagen in Co-Kreation entstanden. t. Durch diese Art der Kundenzentrierung sind wir flexibel, schnell und in der Lage, passgenaue Lösungen zu finden. So hat sich auch unser Asset-Management weiterentwickelt: Was zu Beginn lediglich ein Feature für den Heimbereich war, bietet unseren Kund:innen heute die Möglichkeit, alle ihre Büromöbel-Assets an zentraler Stelle einfach zu verwalten. Die Inventarisierung greift auch Bestandsmobiliar mit auf und gibt einen Echtzeitüberblick über alle relevanten Daten und Informationen wie Standort, Garantie, Modell, CO2-Bilanz etc. Auf diese Weise leisten wir einen Beitrag zu Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung, weil wir die Möbel länger in der Nutzung halten und gezielt die Lebenszeit verlängern.

Bei der ersten Finanzierungsrunde konnten Sie im Juni 2023 fast 3 Millionen Euro für nuwo gewinnen. Was passiert mit dem Geld?

Wir sind stolz, mit VR Ventures / Redstone, IBB Ventures, TAKKT AG und Haufe Group Ventures, renommierte Geldgeber für unsere Vision gewonnen zu haben. Mit der Investitionssumme und starken Partnern im Rücken setzen wir als Team alles daran, unseren Kund:innen weiterhin die bestmöglichen digitalen Lösungen bereitzustellen. In den vergangenen Monaten seit der Finanzierung haben wir unser Asset-Management weiterentwickelt und stehen kurz vor dem Launch unseres VR-Showrooms. So wollen wir uns als Pionier und führende digitale Plattform in der traditionellen Büromöbelbranche etablieren.

Nuwo hat seinen Hauptsitz in Berlin: Was macht die Bundeshauptstadt so interessant?

Im ersten Lockdown 2020, damals noch in Mannheim gestartet, war ich Initialgründerin und habe Ende 2022 ein starkes, Tech-affines Team in den Gesellschafterkreis aufgenommen: Philip Müller, unser COO und unseren CTO, Jörn Depenbrock, die gemeinsam mit unserem Entwickler-Team in unserer Niederlassung in Dortmund arbeiten. Unseren Hauptsitz hatte ich bereits Ende 2021 nach Berlin verlegt, denn Berlin bietet für ein junges Unternehmen viel: Ein innovationsförderliches Klima, Netzwerk, Zugang zu Geldgeber:innen und relevanten Kund:innen. Was ich an Berlin besonders schätze? Das inspirierende Zusammenspiel aus hochkarätigen Vertreter:innen der Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft und Politik. Die verschiedenen Perspektiven und das wertvolle Sparring mit zahlreichen Mentor:innen haben meinen Horizont erweitert und mich zu einer besseren CEO gemacht.

Ihren ersten Beruf haben Sie aufgrund fehlender Entwicklungsmöglichkeiten und der Sorge vor dem Stillstand aufgegeben. Wie stellen Sie sicher, dass es mit nuwo spannend bleibt?

Ein Unternehmen zu führen bedeutet für mich: Sometimes you win, sometimes you learn. Jede neue Phase - von der Gründung, den ersten gemeinsamen Schritten, über mögliche Finanzierungsrunden bis zu den verschiedenen Wachstumsphasen - hat ihre eigenen Herausforderungen und fordert dich aufs Neue heraus. Jede neue Phase zwingt dich aus deiner Komfortzone und hinterfragt den Status Quo. Genau diesen Aspekt liebe ich am Unternehmertum: Stillstand gibt es nicht und so ist persönliches Wachstum vorprogrammiert. Was dir hier hilft ist definitiv ein starkes, resilientes Mindset und vor allem Spaß an der Sache.

Und wie geht es mit nuwo weiter?

Die Herausforderungen, die wir vor allem für unsere größten Kunden lösen, enden nicht an der Landesgrenze. Unsere Lösung ist damit eine globale. Wir wachsen mit unseren Konzernkunden und erschließen nach Deutschland, Österreich und der Schweiz nach und nach weitere Regionen. In fünf Jahren haben wir die Branche über die Grenzen des DACH-Raums hinaus durch unsere Technologie revolutioniert und ein gutes Stück nachhaltiger gestaltet: Als erste holistische Plattform für den digitalen Einkauf und die einfache Verwaltung von Büromöbeln.

 

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